Gallensteine und Gallenblasenentfernung

Unter den 452 Fehlern, die im Jahr 2014 durch die MDK-Gemeinschaft im Bereich der Allgemein- und Viszeralchirurgie festgestellt wurden, sind u. a. 46 Fehler bei der Behandlung von Gallensteinen und 42 Fehler im Rahmen von Cholezystektomien (operative Entfernung der Gallenblase) aufgetreten.

Flur Krankenhaus

Medizinische Indikation

Die Gallenblase, die in einer muldenförmigen Vertiefung an der Unterseite der Leber (Fossa vesicae felleae) liegt, kann maximal 30 bis 80 Milliliter Galle speichern. Durch den Entzug von Wasser wird die zuvor in der Leber produzierte Galle in der Gallenblase eingedickt und gespeichert, um beim Verdauungsprozess an den Zwölffingerdarm abgegeben zu werden. Die Gallenblase ist maßgeblich an der Aufnahme und Verarbeitung von Nahrungsfetten beteiligt.

 

Die operative Entfernung der Gallenblase (Cholezystektomie) ist bei folgenden Erkrankungen indiziert:

 

Gallensteinleiden (Cholelithiasis): Große Steine in den Gallenwegen, die zu einem Stau von Gallenflüssigkeit führen (Cholestase) und sich anders nicht entfernen lassen, können zu wiederkehrenden Koliken, zu einer akuten Gallenblasenentzündung und/oder einem Verschluss der Gallengänge führen.

 

Entzündung der Gallenblase (Cholezystitis): Sie kann akut, chronisch und als akuter Schub bei chronischer Entzündung auftreten. In den meisten Fällen wird die Entzündung durch Gallensteine (Cholelithiasis) ausgelöst. Diese können sich sowohl im Gallengang als auch in der Gallenblase bilden.

 

Gallenblasenperforation: Durchbruch der Gallenblasenwand beispielsweise infolge eines Gallenblasenempyems (Eiteransammlung in der Gallenblase) oder eines Steinleidens. Dabei entleert sich der Gallenblaseninhalt in die freie Bauchhöhle, was eine Bauchfellentzündung (Peritonitis) nach sich ziehen kann. Zudem können Gallensteine in umliegende Organe wie Magen oder Darm gelangen. Falls ein Gallenstein durch eine Perforation in den Dünndarm gelangt, kann es zu einem Darmverschluss (Gallensteinileus) kommen.

 

Gallenblasen- oder Gallengangtumore, Gallenkarzinom – Porzellangallenblase: Die Gallenblasenwand ist infolge einer chronischen Gallenblasenentzündung verhärtet. Da diese Verhärtung aus fibrösen Bindegewebsfasern (Narbengewebe) und Kalk besteht, kann sich die Gallenblase nicht mehr richtig ausdehnen und zusammenziehen.

Behandlung und Therapie

Wenn bei einer Ultraschalluntersuchung Gallensteingrieß oder Gallensteine entdeckt werden, die keine Schmerzen verursachen, ist zunächst keine Operation erforderlich. Abhängig davon, ob Gallensteine in der Gallenblase oder im Gallengang liegen, ob Beschwerden und/oder weitreichende Komplikationen auftreten oder nicht, ob Gallengang und/oder Gallenblase entzündet sind, kommen unterschiedliche Therapien in Frage.

 

Gallenkoliken: Bei Auftreten von Gallenkoliken werden meistens geeignete Schmerzmittel und krampflösende Medikamente (Spasmolytika) verabreicht. Auch warme Wickel im Oberbauchbereich und eine ballaststoffreiche, fettreduzierte Ernährung helfen vorübergehend gegen Koliken.

 

Endoskopische Gallensteinentfernung: Über ein spezielles Endoskop, das durch Mund, Speiseröhre, Magen und Dünndarm in die Gallenwege eingeführt wird, lassen sich Gallensteine entfernen bzw. zertrümmern. Diese Behandlungsmethode nennt sich endoskopisch retrograde Cholangio-Pankreatikographie (ERCP).

 

Gallenblasenentzündung: Im Anfangsstadium wird eine fettreduzierte Diät eingesetzt. Zudem werden Gallenblasenentzündungen mit schmerzstillenden und entzündungshemmenden Mitteln behandelt. Krampflösende Arzneistoffe tragen zum verbesserten Gallefluss bei.

Operative Entfernung der Gallenblase

Die operative Entfernung der Gallenblase gilt mittlerweile als Therapie erster Wahl bei Gallensteinen, die zu wiederkehrenden Beschwerden geführt bzw. eine Entzündung der Gallenblase bewirkt haben. Grundsätzlich stehen zwei operative Verfahren zur Wahl:

Laparoskopische Cholezystektomie

 

In den meisten Fällen wird die Gallenblase mit einer minimal-invasiven Technik (Schlüssellochchirurgie) entfernt. Unter Vollnarkose führt der Chirurg zumeist über den Nabel ein Laparoskop in die Bauchhöhle ein. Ein Laparoskop ist ein optisches Instrument (Endoskop), an dem sich eine Kameraoptik und eine Lichtquelle befinden. Die Kameraaufnahmen werden an einen externen Monitor übertragen, der für eine permanente Sichtkontrolle während der OP sorgt. Über weitere zusätzliche Einstiche im Ober- und Mittelbauch führt der Chirurg dann kleine Röhrchen (Trokare) in die Bauchdecke ein, durch die wiederum die benötigten chirurgischen Instrumente geschoben werden. Zusätzlich wird der Bauchraum mit Kohlendioxid aufgepumpt, um eine bessere Sicht zu gewährleisten. Vorteile dieser Methode sind geringere Schmerzen nach der Operation, kleinere Narben und ein kürzerer Krankenhausaufenthalt. Eine besondere Form der laparoskopischen Cholezystektomie stellt die Single-Port-Operation mit SILS-Technik dar (SILS= Single Incision Laparoscopic Surgery). Hierbei erfolgt die laparoskopische Operation mit nur einem Schnitt im Bauchnabel, sodass keine sichtbaren Narben entstehen.

Die Laparoskopie ist nicht indiziert bzw. problematisch bei folgenden (Vor-)Erkrankungen:

 

Patienten mit Herz- oder Lungenkrankheiten werden normalerweise nicht laparoskopisch operiert, da die Aufblähung des Bauchraums mit Gas die Beschwerden der Herz- oder Lungenkrankheit verstärken kann.

 

Vorausgegangene Operationen im Bauchraum mit daraus resultierenden Verwachsungen können die Laparoskopie erschweren.

 

Die laparoskopische Operation von Magen-, Dickdarm- oder Mastdarmkrebs erfordert ein hohes Maß an Erfahrung, da der Tumor zumeist mit zugehörigen Lymphknoten und häufig auch mit Teilen benachbarter Organe entfernt werden muss. Im Einzelfall muss entschieden werden, ob eine offene Operation besser geeignet ist.

 

Bei einem Darmverschluss (Ileus), schweren Gerinnungsstörungen sowie bakteriellen Infektionen des Bauchfells (Peritonitis) wird eine offene Operation der Laparoskopie vorgezogen.

Konventionelle Cholezystektomie

 

Bei der konventionellen Cholezystektomie wird unter Vollnarkose ein bis zu 10 Zentimeter langer Schnitt entlang des rechten Rippenbogens vorgenommen. Bei dieser offenen Operation wird dann die versorgende Arterie (Arteria cystica) und der abzweigende Gallengang (Ductus cysticus) abgebunden, durchtrennt und die Gallenblase entnommen. Im Durchschnitt können Patienten das Krankenhaus nach 3 bis 5 Tagen verlassen.

Risiken und Komplikationen

Folgende Komplikationen können bei einer laparoskopischen Cholezystektomie auftreten:

 

  • Verletzung benachbarter Blutgefäße, Nerven und Organe
  • Verletzung des Gallengangs
  • Austritt von Gallenflüssigkeit in die Bauchhöhle
  • Größere Blutungen, die aufgrund der Sichtbehinderung schwerer zu stillen sind als bei einer offenen Operation
  • Verletzungen des Darms beim Aufblasen des Bauchraums
  • Geblähter, schmerzender Bauch infolge des eingeblasenen Gases
  • Wundinfektionen
  • Verschiebungen des Zwerchfells durch den aufgeblasenen Bauch
  • Verwachsungen von Gewebe und die Gefahr der Entstehung von Blutgerinnseln (Thrombosen)
  • Zeitverlust bei Komplikationen durch Umstellung auf offene Operation

Bei der konventionellen Cholezystektomie bestehen folgende Risiken:

 

  • Verletzung benachbarter Blutgefäße, Nerven und Organe
  • Verletzung des Gallengangs
  • Austritt von Gallenflüssigkeit in die Bauchhöhle
  • Schwer stillbare Blutungen während der Operation
  • Nachblutungen
  • Infektionen
  • Entstehung einer Gallenfistel

Typische Behandlungsfehler

Einer der häufigsten Behandlungsfehler bei einer Cholezystektomie stellt die Durchtrennung von Gallengängen dar. Wenn im Laufe der Operation z. B. Verwachsungen sichtbar oder unklare anatomische Verhältnisse festgestellt werden, sollte in der Regel eine Cholangiografie – eine röntgenologische Darstellung der Gallengänge unter Verwendung eines Kontrastmittels – durchgeführt werden, bevor mit der Operation fortgefahren wird. Damit lassen sich Läsionen der Gallengänge weitgehend verhindern.

In seinem Urteil vom 11. April 2007 sprach das Landgericht Köln (25 O 93/05) einer Patientin ein Schmerzensgeld i. H. v. 40.000,00 € zu, da der Chirurg in den Leberhauptgallengang (Ductus hepaticus sinister) geschnitten hatte, den er für die Gallenblase hielt. Als er unmittelbar darauf erkannte, dass bei der Patientin gar keine Gallenblase angelegt war (Agenesie), wurde die Operation auf eine offene Operation umgestellt und die Verletzung des Leberhauptgallengangs vernäht. In der Folgezeit litt die Klägerin an Gelbsucht und befand sich wegen Cholangitiden mehrfach in stationärer Behandlung.
Unter Berufung auf §§ 823 Abs. 1, 249 ff. BGB bestätigte das Landgericht den Anspruch der Patientin auf Zahlung von Schmerzensgeld, da die Beweisaufnahme eine Abweichung der Behandlung vom medizinischen Standard ergeben hatte. Wenn bei einer endoskopischen Gallenblasenentfernung die vorhandenen organischen Strukturen nicht sicher voneinander zu unterscheiden seien, müsse der Chirurg zu einem offenen Bauchschnitt übergehen, um den zu durchtrennenden Ductus cysticus mit der notwendigen Zuverlässigkeit zu identifizieren (vgl. hierzu auch OLG Köln, Urt. v. 19. Juni 1996 – 5 U 10/96, OLG Dü̈sseldorf, Urt. v. 17. Dezember 1998 – 8 U 139/97). Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes orientierte sich das Gericht an ähnlichen Fällen (vgl. u. a. die unten aufgeführte Entscheidung).

Mit der Beurteilung eines ähnlichen Falles beschäftigte sich das Oberlandesgericht Hamm am 15. März 2000 (3 U 1/99- OLGR 2000), in welchem der behandelnde Chirurg bedingt durch intraoperative Komplikationen vom laparoskopischen zum offenen Operationsverfahren übergegangen war und dabei festgestellt hatte, dass er den Hauptgallengang durchtrennt hatte. Nach Ausführung eines Sachverständigen war der Ductus choledochus ohne vorherige sorgfältige Präparation geclipt und durchtrennt worden. Das Gericht folgte der Argumentation des Sachverständigen, dass erst dann durchtrennt werden dürfe, wenn der Organsitus genau analysiert und Organe differenziert werden können. In seinem Urteil sprach das OLG dem Patienten ein Schmerzensgeld i. H. v. 70.000,00 DM (ca. 35.790 €) zu. Seinen Anspruch auf Ersatz der erlittenen materiellen und immateriellen Schäden gemäß §§ 847, 823, 831 BGB in dieser Höhe hielt das OLG für gerechtfertigt, da der Patient länger im Krankenhaus verweilen musste, arbeitsunfähig wurde, sich weiteren stationären Behandlungen unterziehen und ständig Antibiotika einnehmen musste und erheblichen psychischen Belastungen ausgesetzt war. Insbesondere auch wegen der Gefahr einer Leberzirrhose beurteilte das Gericht ein Schmerzensgeld in jener Höhe als angemessen.