Oberschenkelhalsbruch

Im Jahr 2014 stellten die MDK unter den 4.687 untersuchten Behandlungsfehlervorwürfen 1.258 Fehler fest. Darunter befanden sich u. a. 128 Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Behandlung eines Oberschenkelbruchs (nach ICD-Schlüssel S72) und 139 Behandlungsfehler im Hinblick auf die Implantation einer Hüftgelenksprothese (nach OPS-Schlüssel 5-820).

Medizinische Indikation

Vor allem ältere Menschen mit Knochenschwund (Osteoporose) laufen Gefahr, bei einem Sturz einen Oberschenkelhalsbruch (Schenkelhalsfraktur, Femurhalsfraktur) zu erleiden. Bei jüngeren Menschen kommt es eher selten, meist unfallbedingt zu einem Oberschenkelhalsbruch. In der Regel wird, abhängig vom Grad der Fraktur, ein Oberschenkelhalsbruch operativ behandelt. Der Oberschenkelknochen (Femur) besteht aus vier Teilen: Schaft, Kniegelenk, kurzer, leicht abgewinkelter Hals und Kopf, der mit dem Becken das Hüftgelenk bildet. Bei einem Oberschenkelhalsbruch bricht der Teil zwischen Kopf und Schaft des Oberschenkelknochens.

Bruchformen nach Pauwels

 

Eine Schenkelhalsfraktur kann anhand verschiedener Kriterien klassifiziert werden. Die Klassifikation der Bruchformen nach Pauwels basiert auf der Neigung der Frakturlinie zur Horizontalen.

 

Pauwels Grad I: Bei einem Winkel von weniger als 30 Grad zur Horizontalebene wirken keine Scherkräfte auf den Knochen ein. Aus diesem Grund kommt eine konservative Therapie in Betracht.

 

Pauwels Grad II: Bei einem Winkel von 30 bis 70 Grad ist ein operativer Eingriff indiziert.

 

Pauwels Grad III: Bei einem Winkel von mehr als 70 Grad muss operiert werden, da hier Scherkräfte auf die Fraktur wirken.

Behandlung und Therapie

Mithilfe von Röntgenaufnahmen der Hüfte in zwei Ebenen wird zunächst der Bruch genau lokalisiert. Falls keine konventionelle Therapie möglich ist, wird vor der Operation eine Computertomografie (CT) durchgeführt. Wenn der vermutete Oberschenkelhalsbruch nicht sofort zu diagnostizieren ist, wird ergänzend eine Magnetresonanztomografie (MRT) erstellt.

 

Eine konservative Behandlung kommt nur in Frage, wenn eine sogenannte stabile Schenkelhalsfraktur ohne Verschiebung des Oberschenkelhalsbruchs vorliegt. In diesem Fall wird das Bein geschient und krankengymnastisch therapiert. Diese Art der Behandlung stellt allerdings die Ausnahme dar. In den meisten Fällen muss ein operativer Eingriff vorgenommen werden.

Operation

Abhängig von der Bruchlinie, der gesundheitlichen Konstitution und dem Alter des Patienten werden hüftkopferhaltende und hüftkopfersetzende Operationsmethoden eingesetzt.

 

Bei jüngeren Patienten mit guter Durchblutung wird zumeist eine hüftkopferhaltende Operation bevorzugt. Bei diesem Verfahren wird die Fraktur mit Schrauben, Platten, Stiften, Netzen und Nägeln fixiert (Osteosynthese).

 

Da der Oberschenkelkopf bei älteren Menschen oftmals eine geringe bzw. gar keine Durchblutung aufweist, wird häufig ein Gelenkersatz (Endoprothese) eingesetzt: entweder werden der Oberschenkelkopf (Gelenkkopf) oder die Hüftpfanne (Gelenkpfanne) oder beide Teile durch eine künstliche Prothese ersetzt (Totalendoprothese/TEP).

Risiken und Komplikationen

Der Verlauf der Operation und die Heilung hängen von der Qualität der Knochensubstanz und von der gesundheitlichen Verfassung ab. Bei Osteoporose ist der Heilungsverlauf meistens langwieriger als bei gesunder Knochensubstanz. Komplikationen treten tendenziell verstärkt bei älteren Patienten auf, die unter Osteoporose oder anderen Vorerkrankungen wie Diabetes oder Herz-/Kreislauferkrankungen leiden.

 

Folgende Komplikationen können auftreten:

 

  • Blutgerinnsel (Thrombose),
  • Lungenentzündung (Embolie),
  • Herzkomplikationen,
  • Wundinfektionen,
  • bruchbedingte Unterbrechung der Blutzufuhr zum Hüftkopf mit nachfolgender Hüftkopfnekrose,
  • Blutergüsse (Wundhämatome) und/oder
  • Lockerung der Prothesen.

Typische Behandlungsfehler

Bei einem Oberschenkelhalsbruch handelt es sich um einen chirurgischen Notfall, der rascher Behandlung bedarf. Zu dieser Ansicht gelangte das Oberlandesgericht München, das sich mit der Klage einer Patientin auseinandersetzte, die erst 12 Stunden nach dem Sturz operiert worden war. Infolge der Verzögerung litt die Patientin unter ständigen Schmerzen und Beschwerden. Wegen mangelnder Durchblutung musste ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt werden. Die Patientin litt noch Jahre später unter starken Schmerzen und war aus diesem Grund zunehmend arbeitsunfähig. Das OLG stellte fest, dass es sich bei einer „dislozierten medialen Schenkelhalsfraktur“ in der Regel um einen chirurgischen Notfall handelt, der eine umgehende Operation zumindest innerhalb von 6 Stunden nach dem Bruch notwendig macht. Die grundlose Verzögerung der Operation um mehr als 12 Stunden wertete das Gericht als schweren Behandlungsfehler. Zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des zuzuerkennenden Schmerzensgeldes sowie des eingetretenen materiellen Schadens wurde der Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen (OLG München, Urt. v. 31. Mai 2001 – 1 U 5146/00).

 

Aufgrund einer verspäteten Diagnose und nicht rechtzeitigen Behandlung sprach das Landgericht Tübingen einem Patienten ein Schmerzensgeld i. H. v. 750,00 € zu. Zudem verpflichtete das Gericht die verantwortliche Kinderklinik, dem Patienten jeglichen daraus resultierenden materiellen und künftigen immateriellen Schaden zu ersetzen (LG Tübingen, Urt. v. 21. Dezember 2005 – 8 O 35/04).

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