Schädelhirntrauma

Im Jahr 2014 hat die MDK-Gemeinschaft unter 841 untersuchten Fällen 66 Behandlungsfehler im Fachbereich Neurologie und 166 im Fachbereich Neurochirurgie ermittelt.

Neurochirurgie Behandlungsfehler

Medizinische Indikation

Unter dem Oberbegriff Schädelhirntrauma (SHT) sind geschlossene bzw. offene Schädelverletzungen mit Gehirnbeteiligung zu verstehen. Mögliche Auslöser sind beispielsweise ein Schlag auf den Kopf, ein Sturz oder ein unfallbedingter Aufprall des Kopfes, die zu einem Schädelbruch, einer Hirnschwellung und/oder zu Blutungen im Gehirn führen können. Bei einem geschlossenen SHT ist die harte Hirnhaut (Dura mater) unverletzt geblieben, bei einem offenen SHT wurde die harte Hirnhaut verletzt.

Mögliche Anzeichen für ein leichtes Schädelhirntrauma sind

 

  • Übelkeit und Erbrechen,
  • Nackenschmerz,
  • Nackensteife,
  • Kopfschmerzen,
  • Schwindel,
  • Puls- und Blutdruckschwankungen,
  • Licht- und Geräuschempfindlichkeit,
  • Geruchs- und Geschmacksstörungen,
  • Lähmungserscheinungen und/oder
  • verstärktes Schwitzen.

Mögliche Anzeichen für ein schweres Schädelhirntrauma sind

 

  • stark zunehmende Kopfschmerzen,
  • Schwindel,
  • Übelkeit und Erbrechen,
  • Austritt von wässriger Flüssigkeit aus Nase und Ohr,
  • Bluterguss unter den Augen,
  • unterschiedlich große Pupillen,
  • Bewusstseinstrübung oder Bewusstlosigkeit im Zusammenhang mit Atemstörungen oder ausgeprägten Lähmungserscheinungen und/oder
  • stark gestörte Funktion von Atmung, Herz und Kreislauf.

 

Ein Schädelhirntrauma muss unverzüglich fachärztlich abgeklärt werden.

Behandlung und Therapie

Im Falle eines Unfalls wird der vor Ort anwesende Arzt den neurologischen Status erfassen, d. h. die Bewusstseinslage und die motorischen Funktionen überprüfen.

 

Im Krankenhaus werden dann umfassende Röntgenuntersuchungen vorgenommen, um die Art möglicher Knochenverletzungen und mögliche Blutungen festzustellen.

 

Unter anderem wird eine Computertomographie (CT) des Schädels angefertigt, um Schwellungen, Blutungen oder Liqourstauung zu kontrollieren. Bei einem Bluterguss außerhalb oder innerhalb der Dura, bei einer Prellung oder bei einer Quetschung des Gehirns (Kontusion) sind Verlaufskontrollen erforderlich.

 

Bei schweren Schädelhirnverletzungen wird eine Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt, um Läsionen, Durchblutungstörungen (Ischämien) oder Quetschungen zu diagnostizieren. Weitere Untersuchungsmethoden sind die MR-Angiografie, um Verletzungen der Blutgefäße festzustellen, und spezielle Ultraschalluntersuchungen, wie Neurosonografie oder Dopplersonografie.

Die Dokumentation eines Schädelhirntraumas erfolgt in der Regel nach der sogenannten Glasgow Coma Skala (GCS), die 3 Schweregrade umfasst.

 

Leichtes Schädelhirntrauma (Schweregrad 1, GCS-Wert von 13 – 15): Kurze Bewusstlosigkeit von bis zu 5 Minuten, die Symptome bilden sich binnen weniger Tage zurück. Diese Form wird auch als Gehirnerschütterung (Commotio cerebri) bezeichnet. Patient muss beobachtet werden, Spätfolgen sind unwahrscheinlich.

 

Mittelschweres Schädelhirntrauma (Schweregrad 2, GCS-Wert von 9 – 12): Bewusstlosigkeit von bis zu 30 Minuten. Symptome bilden sich innerhalb eines Monats zurück. Patient muss beobachtet werden, Spätfolgen sind unwahrscheinlich.

 

Schweres Schädelhirntrauma (Schweregrad 3, GCS-Wert von 3 – 8): Bewusstlosigkeit dauert länger als 30 Minuten an. In der Regel sind neurochirurgische Interventionen erforderlich. Es besteht die Gefahr bleibender Schäden.

 

Bei der Erstversorgung in der Intensivstation muss die Art der Verletzung mittels umfassender Röntgendiagnostik ermittelt werden. Auf Basis der Ergebnisse werden erforderliche Operationen durchgeführt, die sehr unterschiedlich sein können – beispielsweise wird bei einem Schädelbruch der Schädel geöffnet, um Blutungen zu behandeln. Jeglicher operative Eingriff zielt darauf ab, das Leben des Patienten zu retten und Folgeschäden einzudämmen. Die meisten Patienten mit einem schweren Schädelhirntrauma befinden sich in der akuten Phase im Koma und werden neurochirurgisch bzw. neurologisch behandelt.

Risiken und Komplikationen

Die Bandbreite möglicher Komplikationen infolge eines Schädelhirntraumas ist vielfältig. U. a. können folgende Risiken und Komplikationen bestehen:

 

  • epidurales Hämatom (arterielle Blutung zwischen Knochen und Dura, wodurch sich der Druck im Schädelinneren erhöht),
  • subdurales Hämatom (venöse Blutung in den Bereich zwischen Dura und Arachnoidea
    Epilepsie),
  • Wachkoma,
  •  Lähmungen (Spastiken),
  • Sprach- und Sprechstörungen,
  • Gesichtsfeldausfälle,
  • Wahrnehmungsstörungen (z. B. Raumwahrnehmung, Hör- und Sehvermögen),
  • Regulationsstörungen (z. B. Körpertemperatur),
  • Störung der Bewegungsabläufe,
  • Schluckstörungen,
  • Aufmerksamkeits-, Lern- und Gedächtnisstörungen,
  • Persönlichkeitsveränderungen (z. B. Aggression),
  • Verwirrtheit, Desorientierung.

Typische Behandlungsfehler

Da mit einem Schädelhirntrauma und der auslösenden Schädelverletzung eine extrem komplexe Symptomatik verbunden ist, können schwerwiegende Behandlungsfehler bereits in der Diagnostik auftreten.

 

Nach einem schweren Verkehrsunfall eines 17-Jährigen hatte der Unfallarzt ein offenes Schädelhirntrauma mit Hirnaustritt, Glasgow-Coma-Skala 3, mit Verdacht auf stumpfes Thorax/Bauchtrauma in dem Intensivtransportbericht protokolliert. Das Oberlandesgericht München stellte im Zuge der Klage der Mutter und Betreuerin des schwerstbehinderten Jugendlichen einen schweren Diagnosefehler fest und setzte ein Schmerzensgeld i. H. v. 87.611,83 € nebst Zinsen und eine monatliche Pflegerente i. H. v. 1.129,67 € fest: „Wird etwa nach der Notaufnahme eines schwer hirnverletzten Verkehrsunfallopfers auf der Intensivstation ein CT-Befund, der eine eindeutige Zunahme von Hirnschwellungen zeigt und unter Berücksichtigung der klinischen Befunde ein unverzügliches Eingreifen im Sinne einer sofortigen Liquordrainage erfordert, in völlig unvertretbarer Weise falsch ausgewertet (hier: bei Vergleich mit dem Vor-CT hätte die deutliche Zunahme der Schwellung auffallen müssen) und wird die zum Abfluss des Hirnwassers dringend erforderliche Ventrikeldrainage erst 14 Stunden später gelegt, liegt ein fundamentaler Diagnoseirrtum vor. Ein solcher fundamentaler Diagnoseirrtum ist auch generell geeignet, schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen des Patienten, wie z. B. ein apallisches Syndrom, einen ausgedehnten „Wasserkopf“, eine Hirnadrophie u. a., herbeizuführen“ (OLG München, Urt. v. 27. Oktober 2011 – 1 U 1946/05).