Hallux Valgus

Mit einer globalen Prävalenz von ca. 23% bis 35% ist der Hallux Valgus die häufigste Form der Vorfußfehlstellung, wobei Frauen weit häufiger daran erkranken als Männer. Für das Jahr 2015 verbuchte die MDK-Gemeinschaft im Zusammenhang mit der Behandlung von erworbenen Deformitäten der Finger und Zehen (nach ICD-Diagnose-Schlüssel M20) eine Fehlerquote von fast 27%. Das bedeutet in mehr als 1/4 der untersuchten Fälle wurden Behandlungsfehler festgestellt.

Ueberbein, Ballenzeh, Zehendeformität, Fussfehlstellung

Medizinische Indikation

Hallux valgus, in der Umgangssprache als Ballenzeh oder Überbein bekannt, bezeichnet eine Fehlstellung im Großzehengrundgelenk (Subluxation im Grundgelenk). Zumeist in Verbindung mit einem Spreizfuß wölbt sich das Grundgelenk des Großzehs nach außen, der Zeh selbst knickt nach innen ab. Diese sogenannte Insuffizienz des Großzehengrundgelenks führt in weiterer Folge zu einer erhöhten Belastung der benachbarten kleinen Zehen.

 

Durch die verstärkte Reibung, die beim Tragen enger Schuhe entsteht, kann begleitend eine Entzündung des Schleimbeutels im Großzehengrundgelenk auftreten, die zumeist eine weitere Schwellung nach sich zieht.

 

Neben genetischer Veranlagung liegen die Ursachen für die Entstehung dieser Fehlstellung vor allem im Tragen von zu hohen, zu engen oder zu spitzen Schuhen begründet. Nach aktueller Studienlage sind deutlich mehr Frauen als Männer von einem Hallux valgus betroffen.

 

Es wird zwischen den folgenden Graden (Stellungswinkel der Großzehe zum Großzehengrundgelenk) unterschieden:

 

  • Leichter Hallux valgus: <20°,
  • Mittlerer Hallux valgus: 20°- 40° und
  • Schwerer Hallux valgus: >40°.

 

Begleiterkrankungen des Hallux valgus sind

 

  • Knochenwucherung (Exostose) am Zehenballen,
  • Schleimbeutelentzündung (Bursitis) am Zehenballen,
  • Bursitis an den kleinen Zehen,
  • schmerzhafte Überlastung der kleinen Zehen (Transfermetatarsalgie),
  • Arthrose im Großzehengrundgelenk (Hallux rigidus) oder
  • Krallen- und Hammerzehen.

 

Mögliche Auswirkungen auf den Gang sind

 

  • schlechtere Balance beim Gehen,
  • Überbelastung der kleinen Zehen,
  • Gangunsicherheit und/oder
  • reduzierte Schrittlänge.

Behandlung und Therapie

Durch die auffällige Form lässt sich ein Ballenzeh auf den ersten Blick erkennen. Dennoch sind Röntgenaufnahmen unerlässlich, um den Grad der Fehlstellung genau zu diagnostizieren. Aufgrund der Fehlstellung und der damit verbundenen schnelleren Abnutzung des Gelenks kann sich eine Arthrose entwickeln.

 

Je früher konservative Behandlungsmaßnahmen ergriffen werden, desto besser sind die erzielten Ergebnisse. Vor allem bei jüngeren Patienten empfiehlt sich in einem frühen Stadium eine konservative Behandlung.

 

Ziele der konservativen Behandlung sind

 

  • die Wiederausrichtung der Großzehe,
  • die Entwicklungsverlangsamung der Fehlstellung,
  • der Erhalt des Quergewölbes und die Stabilisierung des Vorfußes,
  • die Entwicklungsverlangsamung der Arthrose,
  • die Linderung von Entzündungs- und Überlastungsschmerzen sowie
  • die Stärkung der Muskulatur der Füße.

Formen der konservativen Behandlung

 

Schuhe mit Zehenraum: Die Schuhe sollten ausreichend Raum für die Zehen bieten.

 

Zehenschiene (Orthese): Bei fortgeschrittenem Hallux valgus erleichtern spezielle Einlagen wie Silikon-Orthesen das Abrollen über das schmerzhafte Gelenk.

 

Hallux-Schuhe: Elastische Stretchschuhe reduzieren die Reibung des Überbeins am Schuh.

 

Ballenpolster: Polster aus Schaumstoff oder anderen Materialien, die den Ballen umgeben, vermindern die Reibung und den direkten Druck durch den Schuh.

 

Physiotherapie: Fuß- und Zehengymnastik kräftigen die Fußmuskeln und straffen das Bindegewebe.

 

Barfußlaufen: Durch regelmäßiges Barfußlaufen wird die Muskulatur trainiert.

Operation

Bei einem stark ausgeprägten, schmerzhaften Hallux valgus bzw. bei fortschreitender Arthrose ist in den meisten Fällen eine Operation indiziert. Mittlerweile stehen vielfältige Operationsverfahren zur Verfügung, die – abhängig vom Stadium des Hallux valgus – Anwendung finden.

 

Bei den meisten Hallux valgus Operationen wird eine Kombination aus verschiedenen Eingriffen vorgenommen:

 

  • Knochenumstellung (Osteotomie),
  • Weichteilkorrektur (Sehnen, Kapsel, Muskeln),
  • Gelenkerhaltende Cheilektomie (Entfernung der Knochensporne) oder
  • bei ausgeprägter Arthrose eine Versteifung des Großzehengrundgelenks (Arthrodese).

Mögliche Operationsverfahren

 

Akin-Osteotomie: Diese Methode wird bei leichten Fehlstellungen angewendet. Aus dem Grundglied der Großzehe wird ein knöcherner Keil entnommen, nach Korrektur der Fehlstellung wird die Osteotomie mit einer Knochennaht, einer Klammer oder einer Schraube fixiert.

 

Chevron-Osteotomie: Bei leichten bis mittelschweren Fehlstellungen wird ein V-förmiger Keil in Höhe des ersten Mittelfußköpfchens entnommen, das dann nach außen verschoben und mit einer Titanschraube fixiert wird. Im Anschluss wird die Gelenkkapsel gestrafft.

 

Scarf-Osteotomie: Diese Methode eignet sich zur Korrektur mittelschwerer bis schwerer Formen des Hallux valgus. Aus dem ersten Mittelfußknochen wird ein Z-förmiger Keil im Schaftbereich entnommen. Dann wird das Mittelfußköpfchen nach außen verschoben. Nach der Korrektur der Spreizfussbildung wird der Knochen mit Titanschrauben stabilisiert.

 

Basisosteotomie: An der Basis des ersten Mittelfußknochens wird bei ausgeprägtem Spreizfuß mit schwerer Fehlstellung der Großzehe die Korrektur des Knochens vorgenommen. Die gewünschte Stellung wird durch eine Metallplatte mit winkelstabilen Schrauben fixiert.

Operation am Großzehengrundgelenk bei fortgeschrittener Arthrose

 

Bei fortgeschrittener Arthrose des Großzehengrundgelenks (Hallus rigidus) kommen drei Verfahren in Frage.

 

Cheilektomie: Hierbei werden geschädigte Knochen- und Knorpelareale aus dem Großzehengrundgelenk abgetragen, um die Beweglichkeit im Großzehengrundgelenk und die Schmerzsymptomatik zu verbessern.

 

Hemiprothese: Im Gegensatz zum vollständigen Gelenkersatz (Totalendoprothese) wird bei Hallus rigidus zumeist nur das Grundglied des Großzehs mit einer Prothese versorgt. Am Mittelfußknochen wird keine Prothese eingesetzt.

 

Lapidus-Arthrodese: Bei diesem Verfahren wird eine Versteifung des Gelenks zwischen Mittelfußknochen und Fußwurzel vorgenommen, um die Bewegungsfähigkeit im Gelenk gänzlich zu unterbinden.

Risiken und Komplikationen

Wie jede Operation ist auch die Hallux valgus Operation mit Risiken und Komplikationen verbunden.

 

  • Infektion,
  • Thrombose,
  • schmerzhafte Irritationen durch Schrauben, Implantate (Titan-Platten) oder Drähte,
  • umstellungsbedingte Druckschmerzen,
  • Steifheit des Zehengrundgelenks,
  • Abweichung der Großzehe in die entgegengesetzte Richtung,
  • Stressfrakturen durch Belastungsänderung,
  • ausbleibende oder ungenügende Knochenneubildung,
  • Fortbestehen chronischer Schmerzen,
  • erneute Bildung des Hallux valgus und/oder
  • Narbenbildung nach Einsatz von Implantaten und großflächigen Weichteilschnitten

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