Wie verfahre ich bei einem Verdacht auf einen Behandlungsfehler?

Wenn der Patient den Verdacht hat, dass ein bei ihm vorhandener Schaden infolge eines Behandlungsfehlers aufgetreten ist, hat er verschiedene Möglichkeiten, diesen Verdacht überprüfen zu lassen und ggf. Schmerzensgeld und Schadensersatz einzufordern.

 

  • Der Patient lässt die Angelegenheit in einem strafrechtlichen Prozess durch die Staatsanwaltschaft klären.

 

  • Der Patient strebt eine medizinische Begutachtung und Bewertung der Vorwürfe durch die Schlichtungs- und Gutachterstelle der entsprechenden Landesärztekammer (Schlichtungsverfahren) an.

 

  • Der Patient lässt die Angelegenheit mithilfe seiner Krankenkasse und/oder eines Rechtsanwaltes zunächst außergerichtlich überprüfen und ggf. anschließend in einem zivilrechtlichen Prozess klären.

Der strafrechtliche Prozess

Bei der Aufklärung, ob der Arzt einen Behandlungsfehler begangen hat, ist die strafrechtliche Verfolgung als erster Schritt grundsätzlich zwar möglich, aber überhaupt nicht empfehlenswert. Oftmals sind Klagen z. B. wegen (fahrlässiger) Körperverletzung schon allein deshalb zum Scheitern verurteilt, weil es im Strafrecht – anders als im Zivilrecht – einerseits die sog. Beweislastumkehr (der beklagte Arzt muss beweisen, dass er keinen Fehler begangen hat) nicht gibt und andererseits dem Beschuldigten auch immer ein Vorsatz oder eine Fahrlässigkeit nachgewiesen werden muss. Hinzu kommt, dass sich das Scheitern einer strafrechtlichen Klage auch negativ auf einen danach geführten zivilrechtlichen Prozess auswirken kann.

Medizinische Begutachtung durch die Schlichtungs- bzw. Gutachterstelle der Landesärztekammer

Das Angebot der Landesärztekammern eine medizinische Begutachtung der Angelegenheit auf Antrag des Patienten vorzunehmen ist für diesen zwar grundsätzlich kostenfrei, aber gleichzeitig auch abhängig davon, dass der Arzt und dessen Haftpflichtversicherer dem Schlichtungsverfahren zustimmen. Ohne Einwilligung des Beschuldigten und seiner Haftpflichtversicherung kann die Schlichtungs- bzw. die Gutachterstelle der entsprechenden Landesärztekammer nicht tätig werden – gerade bei sehr hohen Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen wird diese Einwilligung meist nicht gegeben und eine gerichtliche Klärung unumgänglich.

Aber auch ein mit Zustimmung aller Parteien geführtes Schlichtungsverfahren unterliegt gewissen Grenzen. Die Schlichtungs-/Gutachterstelle beschafft sich zunächst alle relevanten medizinischen Unterlagen, bestimmt dann den medizinischen Gutachter, der die Begutachtung vornimmt, und nimmt anschließend eine Bewertung der Angelegenheit vor. Die medizinische Begutachtung erfolgt allein nach Aktenlage – eine persönliche Befragung des Patienten durch den Gutachter erfolgt also nicht. Die Gutachterkommission, die meist aus Juristen und Ärzten besteht, ist zudem nicht an das Ergebnis des Gutachtens – egal ob positiv oder negativ – gebunden. Und so wie die Gutachterkommission an das Ergebnis des Gutachtens nicht gebunden ist, so ist auch der Arzt bzw. dessen Haftpflichtversicherung nicht an die Beurteilung der Gutachterkommission der Landesärztekammer gebunden. Das bedeutet, auch wenn die Gutachterkommission der Landesärztekammer dem Patienten bescheinigt, dass er Opfer eines Behandlungsfehler geworden ist, ist der Arzt bzw. seine Haftpflichtversicherung nicht zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verpflichtet.

Die Dauer eines Schlichtungsverfahrens vor der Landesärztekammer, welches im eigentlichen Sinn nur eine medizinische Begutachtung darstellt, ist mit durchschnittlich mehr als 12 Monaten sehr lang. Außerdem kann die medizinische Begutachtung durch die Schlichtungsstelle nicht zeitgleich mit der medizinischen Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (siehe unten) stattfinden.

Zivilrechtliche Klärung der Angelegenheit – empfohlenes Vorgehen

Wenn der Patient den Verdacht hat, dass er Opfer eines Behandlungsfehlers wurde, sollte er zunächst – auch wenn es emotional schwierig erscheint – das offene Gespräch mit dem Arzt, von dem er sich fehlerhaft behandelt fühlt, suchen. Da der Arzt dazu verpflichtet ist, den Patienten auf Nachfrage auch über eigene Fehlleistungen aufzuklären, kann der Verdacht einer Fehlbehandlung durch den Patienten ruhig angesprochen werden. Ein aus Unwissenheit hervorgerufener unbegründeter Verdacht kann so schnell aus dem Weg geräumt werden.

Expertenhilfe annehmen

Ist der Patient mit dem Ausgang des offenen Gesprächs nicht zufrieden bzw. konnte der Arzt seine Bedenken nicht zerstreuen, sollte sich der Patient von einem auf das Arzthaftungsrecht spezialisierten Rechtsbeistand oder von einem Experten aus der entsprechenden Fachabteilung seiner Krankenversicherung hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise beraten lassen. Expertenhilfe anzunehmen, ist auch deshalb zu empfehlen, weil die Überprüfung des Sachverhalts zeitlich sehr aufwändig sein kann und betroffene Patienten aufgrund des erlittenen Schadens mitunter – zeitlich und/oder emotional – nicht (mehr) in der Lage sind, sich mit dem Aufklärungsprocedere zu beschäftigen. Zudem können Rechtsexperten die laufenden Verjährungsfristen und die Erfolgsaussichten von Schadensersatzforderungen besser einschätzen als der betroffene Patient.

Sämtliche Krankenunterlagen vom Arzt einfordern

Zunächst sollten die vollständigen Krankenunterlagen des Patienten von dem Arzt, dessen Behandlung beanstandet wird, angefordert werden. Aber auch die Krankenunterlagen der vor-, mit- und nachbehandelnden Ärzte sollten erbeten werden, weil diese u. a. darüber Aufschluss geben, ob die Notwendigkeit der Behandlung bestand, ob über die Behandlungsmethode sachgemäß aufgeklärt wurde oder welcher konkrete Schaden bei dem Patienten durch den Behandlungsfehler verursacht wurde.

Ein Gedächtnisprotokoll erstellen

Der Patient sollte auch unbedingt ein Gedächtnisprotokoll anfertigen, in dem er den Ablauf und die Details der (fehlerhaften) Behandlung aus seiner Sicht beschreibt. Wann und über was wurde mit dem Patienten gesprochen? Welche Untersuchungen wurden vom Arzt veranlasst oder von ihm selbst durchgeführt? Welche Beschwerden sind wann aufgetreten?

Das MDK-Gutachten

Weiterhin sollte bei der Klärung bzw. Überprüfung, ob der Arzt einen Behandlungsfehler begangen hat oder nicht, auch die Krankenkasse des Patienten um Hilfe gebeten werden. Denn die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist gem. § 66 SGB dazu verpflichtet, ihre Versicherungsnehmer bei der Klärung von Behandlungsfehlervorwürfen zu unterstützen. Zudem hat sie auch ein erhebliches Eigeninteresse daran, solche Angelegenheiten aufzuklären, da durch einen Behandlungsfehler möglicherweise rückforderbare Mehrkosten entstanden sind. Die Unterstützung der GKV erfolgt zumeist in der Form, dass sie bei dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) ein medizinisches Gutachten in Auftrag gibt. Dieses Gutachten wird – ebenso wie das Gutachten der Schlichtungsstelle der Landesärztekammer – anhand der Aktenlage vorgenommen. Das von dem Patienten im Vorfeld angefertigte Gedächtnisprotokoll wirkt hier sachverhaltsaufklärend und unterstützt den Gutachter bei der Beurteilung der Angelegenheit.

Das Privatgutachten

Anstelle des durch die gesetzliche Krankenkasse in Auftrag gegebenen (kostenfreien) MDK-Gutachtens, kann auch ein Privatgutachter mit der Überprüfung der Behandlungsunterlagen und des medizinischen Sachverhaltes beauftragt werden. Allerdings werden die Kosten eines privat in Auftrag gegebenen Gutachtens von den Rechtsschutzversicherungen meist nicht übernommen, so dass der Patient diese regelmäßig selbst tragen muss. Das Privatgutachten hat gegenüber dem MDK-Gutachten u. a. aber den Vorteil, dass eine Bearbeitungsfrist ausgehandelt werden kann, wodurch eine schnellere Aufklärung des Sachverhaltes und somit ein schnelleres Einfordern von etwaigen Ansprüchen möglich ist.
Bestätigt das medizinische Gutachten – ob privat oder durch die GKV in Auftrag gegeben – das Vorhandensein einer fehlerhaften Behandlung, kann nunmehr der Arzt bzw. der Krankenhausträger oder – falls zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt – der Haftpflichtversicherer des Arztes bzw. des Krankenhausträgers mit den Forderungen konfrontiert werden. Die Überprüfung der Höhe des geforderten Schadenersatzes und des Schmerzensgeldes sowie der Kontakt mit der gegnerischen Arztseite sollte – aus den zuvor schon genannten Gründen – von einem Rechtsexperten übernommen werden.

Der zivilgerichtliche Prozess

Wenn die Haftpflichtversicherung des Arztes das Vorhandensein eines Behandlungsfehlers dagegen vehement bestreitet und die Forderungen des Patienten nicht ausgleicht, kann im Anschluss an die außergerichtlich geführten Verhandlungen immer noch ein zivilgerichtlicher Prozess geführt werden. In diesem beauftragt das Gericht einen Gutachter mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens anhand eines durch das Gericht beschlossenen Fragenkataloges. Obwohl der vom Gericht bestellte Gutachter in seinen Ausführungen an die sog. Beweisfragen des Gerichts gebunden ist, spielt bei der gerichtlichen Aufklärung des medizinischen Sachverhalts – anders als bei den außergerichtlich in Auftrag gegebenen Gutachten – auch die Inaugenscheinnahme des Patienten eine Rolle. Der gerichtliche Gutachter untersucht den Patienten persönlich. Des Weiteren können alle im Laufe des außergerichtlichen Prozesses erstellten Unterlagen dem Gericht zur Beweisführung vorgelegt werden, so z. B. das Gedächtnisprotokoll des Patienten und das/die in Auftrag gegebene/n Gutachten des MDK und/oder eines Privatgutachters. Kommt der gerichtliche Gutachter ebenfalls zu dem Schluss, dass ein Behandlungsfehler den vorhandenen Schaden des Patienten verursacht hat, kann es zu Beweiserleichterungen für den Patienten oder gar einer sog. Beweislastumkehr kommen, bei denen die gegnerische Arztseite beweisen muss, dass es bei dem Patienten auch bei sachgemäß durchgeführter Behandlung zu dem aufgetretenen Schaden gekommen wäre, d. h. dass die sog. Kausalität nicht gegeben ist.

Wünschen Sie eine kostenlose Ersteinschätzung Ihres Falles?
Füllen Sie bitte unseren Patientenfragebogen aus, damit wir uns ein Bild machen können.