Wurzelspitzenresektion

Bei der Untersuchung von 1.419 Behandlungsfehlerwürfen in der Zahnmedizin aus dem Jahr 2014 konnte die MDK-Gemeinschaft 190 Behandlungsfehler im Zusammenhang mit Wurzelspitzenresektionen und Wurzelkanalbehandlungen feststellen.

Medizinische Indikation

Bei der Wurzelspitzenresektion werden die infizierte Wurzelspitze und das umliegende entzündete Gewebe in einem operativen Eingriff entfernt. Nach einer nicht erfolgreichen Wurzelkanalbehandlung stellt eine Wurzelspitzenresektion oftmals die letzte Maßnahme dar, um der weiteren Ausbreitung der Infektion in den Knochen vorzubeugen, die im Ernstfall schwere Eiterungen (Abszesse) im Gesicht und am Hals nach sich ziehen kann.

 

Nachfolgend sind mögliche Indikationen für die Wurzelspitzenresektion aufgeführt:

 

  • länger bestehende Entzündungsherde des Knochens, die durch eine normale Wurzelbehandlung nicht beseitigt werden konnten
  • Wurzelfüllmaterial, das über die Wurzelspitze hinausgelangt ist und Schmerzen verursacht
  • Wurzelfüllmaterial, das in die Kieferhöhle oder in den Kanal des Unterkiefernervs gelangt ist
  • abnorme Wurzelverhältnisse, wie extreme Krümmungen
  • sehr große Entzündungsherde, die mit einer Wurzelkanalbehandlung nicht zu beseitigen sind
  • nicht entfernbare, abgebrochene Wurzelkanalinstrumente
  • Perforierung der Wurzel bei der normalen Wurzelkanalreinigung
  • gebrochene Zahnwurzel in der Nähe der Wurzelspitze mit einhergehender Infektion
  • langanhaltende Schmerzen nach einer klinisch und radiologisch korrekten Wurzelkanalfüllung
  • Zahnverletzungen, wie eine Wurzelfraktur
  • Zysten mit einhergehenden Infektionen

Behandlung und Therapie

Auf Basis der individuellen Befundlage und einer röntgendiagnostischen Abklärung wird eine Wurzelspitzenresektion durchgeführt. Die Operation erfolgt unter örtlicher Betäubung (Lokalanästhesie). Nach Durchtrennung des Zahnfleisches und der Knochenhaut wird mit speziellen Knochenfräsen der Knochen im Bereich der Wurzelspitze abgetragen, um die Wurzelspitze und das entzündlich veränderte Gewebe freizulegen. Im Folgenden wird die Wurzelspitze gekürzt, um die feinen Ausläufer des Wurzelkanals im Bereich der Wurzelspitze möglichst vollständig zu entfernen. Dann wird der Wurzelkanal desinfiziert, getrocknet und gefüllt.

Risiken und Komplikationen

Neben den allgemeinen Risiken operativer Eingriffe, wie Wundinfektionen oder auch Blutungskomplikationen, gibt es typische Operationsrisiken.

 

Verletzung der Kieferhöhle: Im Oberkieferseitenzahnbereich kann es zu einer Reizung, Verletzung und Entzündung der Kieferhöhle kommen.

 

Nervenverletzungen: Im Bereich des Unterkiefers besteht die Gefahr der Verletzung des Unterkiefernervs, der im Bereich der kleinen Backenzähne (Prämolaren) aus dem Knochen austritt und weiter in Richtung Unterlippe verläuft. Die Verletzung dieses Nervs kann zu einem vorübergehenden oder anhaltenden Taubheitsgefühl an der Unterlippe führen.

 

Beschädigung benachbarter Zahnwurzeln: Wenn die Zahnwurzeln sehr eng beieinander stehen, können benachbarte Wurzeln beschädigt bzw. verletzt werden.

Typische Behandlungsfehler

Nicht selten treten nach einer Wurzelspitzenresektion Taubheitsgefühle im Bereich der Unterlippe bzw. im Kinnbereich auf, die bei nachweislicher Verletzung bzw. Durchtrennung von Nerven im Unterkieferbereich dauerhaft bestehen bleiben können.

 

So war bei einem Patienten unmittelbar nach einer Wurzelspitzenresektion am Zahn 43 durch einen Fachzahnarzt für Oralchirurgie im Jahr 2009 ein Taubheitsgefühl im unteren Kinnbereich aufgetreten, das auch in Folge nicht verschwand. In seinem Urteil vom 15. Februar 2012 sprach das Amtsgericht Münster (Az. 5 C 4661/09) dem Patienten gemäß den §§ 611, 280 Abs. 1, 823 Abs. 1, 249 Abs. 2, und 253 BGB ein Schmerzensgeld i. H. v. 3.000,00 € zu und verpflichtete den Fachzahnarzt dazu, sämtliche zukünftigen materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aus der Behandlung zu ersetzen. Unabhängig von der Frage der Verletzung der Aufklärungspflicht gelangte das Gericht nach den Ausführungen eines Sachverständigen zu der Ansicht, dass die fehlerhaft durchgeführte Behandlung zu einem anhaltenden Taubheitsgefühl im Bereich des Nervus mentalis geführt hatte. Der Sachverständige legte nachvollziehbar dar, dass „aus den Behandlungsunterlagen und den fehlenden bzw. unbrauchbaren präoperativen Röntgenaufnahmen auch eine relative Indikation zur Wurzelspitzenresektion nicht ersichtlich gewesen sei“. Da die Unaufklärbarkeit der Indikation zu Lasten des Fachzahnarztes ging, war der Patient in diesem Fall nicht beweisbelastet.

 

In einem anderen Fall, der am 4. April 2000 vor dem Oberlandesgericht in Koblenz verhandelt wurde (Az. 1 U 1295/98), sprach der Senat einer Patientin ein Schmerzensgeld i. H. v. 50.000,00 DM (ca. 25.565 €) zu, da im Zuge einer Wurzelspitzenresektion und Entfernung einer Wurzelzyste am Zahn 35 der linke Trigeminusnerv durchtrennt worden war. In Folge dessen litt die Patientin unter einem dauernden Taubheitsgefühl und Funktionsstörungen in der linken Gesichtshälfte und musste sich mehrfach vergeblichen stationären Behandlungen und Therapien in Schmerzkliniken unterziehen. Nach der Beweisaufnahme stand für den Senat fest, dass die 1994 erfolgte Zahnbehandlung sowohl zu einer Narbe am Nervus mentalis als auch zu einem Narbenneurom im Bereich des Nervus alveolaris inferior geführt hatte. Der Nerv war durch eine Quetschung oder Durchtrennung geschädigt worden. Nach §§ 823, 847, 247, 249 BGB wurde die Zahnärztin zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verurteilt, da sie keine ordnungsgemäße Aufklärung der Patientin vorgenommen und auf eine konservative Behandlungsmethode (Aufbohren des Zahnes mit anschließender Wurzelkanalbehandlung) hingewiesen hatte.

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