Ein Patient, der Opfer eines Behandlungsfehlers wurde oder zumindest vermutet, einem Behandlungsfehler zum Opfer gefallen zu sein, muss innerhalb einer bestimmten Zeitspanne seine Ansprüche gegenüber dem Arzt, der den Behandlungsfehler aus Sicht des Patienten begangen hat, geltend machen. Nach Ablauf der sog. Verjährungsfrist können weder Schadensersatzansprüche noch Schmerzensgeldforderungen eingeklagt werden.
Die Verjährung beginnt (gem. § 199 Abs. 1 BGB) am 31.12. des Jahres, in dem der Patient Kenntnis davon erlangt hat, wer den Behandlungsfehler begangen hat und unter welchen Umständen es zu dem Kunstfehler gekommen ist, oder in dem er wegen grober Fahrlässigkeit keine Kenntnis davon erlangt hat.
Schadensersatzansprüche aus Behandlungsfehlern verjähren nach Ablauf von 30 Jahren ab dem Zeitpunkt der schadensauslösenden Handlung (§ 199 Abs. 2 BGB). Die Ansprüche sind jedoch gem. der regelmäßigen Verjährungsfrist innerhalb von 3 Jahren geltend zu machen (§ 195 BGB). Das bedeutet ein Patient hat insgesamt bis zu 30 Jahre nach einer Behandlung die Möglichkeit, gegen den Arzt, der ihn (den Patienten) aus seiner Sicht falsch behandelt hat, vorzugehen. Jedoch muss der Patient seine Ansprüche innerhalb von 3 Jahren, nachdem ihm bekannt geworden ist, dass seine Behandlung fehlerhaft durchgeführt wurde, geltend machen. Die Einschätzung, ob die Verjährungsfrist abgelaufen ist oder nicht, ist also davon abhängig, ab welchem Zeitpunkt der Patient wusste, dass der bei ihm nach einer Behandlung aufgetretene Schaden nicht eine behandlungsspezifische Folge des Eingriffs bzw. der Therapiemaßnahme war, sondern dass dieser Schaden als Folge der fehlerhaften Behandlung des Arztes aufgetreten ist.
Grundsätzlich kann und muss der Patient nicht – aus seiner Position als medizinischer Laie – allein aus einem nach einer Behandlung aufgetretenen Schaden auf einen Behandlungsfehler als Ursache dafür schließen. Ebenso wenig ist der Patient verpflichtet, aufgrund eines Behandlungsmisserfolges Nachforschungen zu betreiben, um die Ursachen des Misserfolges aufzuspüren. Die Verjährung von Ansprüchen ist also davon abhängig, dass der Patient den aufgetretenen Schaden mit der fehlerhaften Behandlung des Arztes in Verbindung bringt. Also erst wenn der Patienten von wichtigen Anhaltspunkte erfährt, vor denen er unmöglich die Augen verschließen kann und die den entstandenen Schaden auf einen Behandlungsfehler zurückführen oder die eine Aufklärungspflichtverletzung begründen, liegen die Voraussetzungen der Kenntnis des Patienten im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor und erst ab diesem Zeitpunkt läuft die 3-jährige Verjährungsfrist. Versäumt der Patient – trotz wichtiger Anhaltspunkte – die Verjährungsfrist, kann ihm sein Verhalten als „grob fahrlässige Unkenntnis“ ausgelegt werden.
Lässt der Patient Erkenntnisse, die den entstandenen Schaden zwingend auf einen Behandlungsfehler zurückführen oder die eine Aufklärungspflichtverletzung eindeutig zeigen, unbeachtet und unterlässt er es, weitere Ermittlungen durchzuführen, um diesen Verdacht zu bestätigen (oder ggf. zu entkräften), kann ihm sein zu spätes Vorgehen als grob fahrlässige Unkenntnis ausgelegt werden. Der Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wird dadurch zu Nichte gemacht.
Dass die Beurteilung, ab welchem Zeitpunkt der Patient von einem Behandlungsfehler „Kenntnis“ haben musste, mitunter sehr schwierig sein kann, zeigt nachfolgendes Beispiel (vgl. Urteil des BGH vom 10.11.2009 – VI ZR 247/08):
Nach der Entbindung ihres Kindes im Jahre 1998 mussten aufgrund des Einsatzes einer Geburtszange Risse im Vaginalbereich der Patienten vernäht werden. Die daraufhin entstandenen Narben waren seitdem schmerzhaft. Erst aufgrund des Hinweises ihrer Gynäkologin im Jahre 2006 machte die Patientin in einer Klage vor dem Landgericht Bremen im Jahre 2007 Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Behandlung gegenüber dem Arzt und dem Klinikträger geltend. Die Klage wurde vom Landgericht Bremen und auch in 2. Instanz vom Oberlandesgericht Bremen abgewiesen, weil die Ansprüche der Patientin – aufgrund grob fahrlässiger Unkenntnis – spätestens im Jahre 2004 verjährt gewesen wären. Dagegen hob der Bundesgerichtshof das zweitinstanzliche Urteil mit dem Hinweis auf, dass die Patienten aus ihrer laienhaften Sicht den entstandenen Schaden ohne weitere Anhaltspunkte unmöglich auf einen Behandlungsfehler des Arztes habe zurückführen können. Erst nach dem Hinweis ihrer Gynäkologin 2006 erlangte sie die die Verjährung auslösenden Kenntnisse, so dass die im Jahre 2007 erhobene Klage fristgerecht eingegangen war. Das Oberlandesgericht musste die Sache neu verhandeln.
Letztendlich kommt es bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis gegeben sind und ob somit die Verjährungsfrist eingehalten oder versäumt wurde, auf die Umstände des konkreten Einzelfalls an.
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