Morbus Bechterew

Nach Angaben der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e. V. wurde bei etwa 100.000 bis 150.000 Deutschen Morbus Bechterew diagnostiziert. Männer und Frauen sind gleichermaßen häufig von der Erkrankung betroffen. Jedoch wird sie bei Frauen seltener diagnostiziert, da die Erkrankung bei diesen einen weit milderen Verlauf nimmt als bei Männern.

Morbus Bechterew, versteifende Wirbelentzuendung, Spondylitis ankylosans, Rueckenschmerzen, entzuendlich-rheumatische Erkrankung, Bambusstabwirbelsaeule

Medizinische Indikation

Morbus Bechterew (auch Spondylitis ankylosans – versteifende Wirbelentzündung) bezeichnet eine chronisch verlaufende, entzündlich-rheumatische Erkrankung mit verknöchernden und gewebezerstörenden Veränderungen am Achsenskelett, mit peripheren Gelenksentzündungen und Sehnenansatzschmerzen, die im Endstadium zu einer vollständigen Versteifung der Wirbelsäule führen kann. Eine vollständig versteifte Wirbelsäule, die sogenannte Bambusstabwirbelsäule, kommt eher selten vor. Obwohl es sich um eine Form entzündlichen Rheumas handelt, lassen sich im Blut keine Rheumafaktoren nachweisen.

 

Auslöser für diese Form von entzündlichem Rheuma ist eine Fehlsteuerung des Immunsystems. Abwehrzellen (Immunzellen) richten sich gegen eigene Körperzellen und lösen die entzündlichen Prozesse aus. Besonders häufig tritt Morbus Bechterew bei Menschen auf, die Träger des Erbmerkmals HLA-B27 sind. Allerdings kommt die Krankheit auch bei Menschen vor, bei denen das Erbmerkmal nicht vorliegt.

 

Die Krankheit bricht meistens zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr aus und verläuft in Schüben. Bei manchen Patienten sind Gelenke der Arme und Beine, Sehnen, Sehnenansätze oder innere Organe ebenfalls betroffen.

Faktoren, die auf Morbus Bechterew hinweisen

 

Entzündung einzelner Gelenke,
Sehnenansatz-Entzündung (Enthesitis),
Regenbogenhautentzündung (Iritis) im Auge,
Schmerzen über dem Brustbein,
Einschränkung der Brustkorbdehnung,
deutliche Reduzierung der Schmerzen nach Verabreichung eines kortisonfreien, entzündungshemmenden Medikamentes und erneutes Auftreten der Schmerzen nach Absetzen des Medikamentes

Typische Kennzeichen des Krankheitsverlaufs

 

der Ausbruch der Erkrankung zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr,
Entzündungsschübe,
eine fortschreitende Versteifung und Verformung der Wirbelsäule sowie
das einmalige oder wiederholte Auftreten einer Regenbogenhautentzündung (Iritis)

Behandlung und Therapie

Morbus Bechterew kann mit den derzeit zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten nicht geheilt werden.

 

Nach umfassender Diagnostik mit Hilfe von

 

  • Röntgenaufnahmen des Beckens, der Lenden,- Brust- und Halswirbelsäule,
  • Kernspintomogramm der Kreuzdarmbeingelenke und der Lendenwirbelsäule,
  • 3-Phasen-Szintigraphie un
  • Computertomogramm der Kreuzdarmbeingelenke

 

zielt die grundlegende Therapie darauf ab, Schmerzen zu lindern und die Beweglichkeit der Wirbelsäule weitgehend zu erhalten bzw. einem dauerhaften Rundrücken vorzubeugen. Die regelmäßige Bewegungstherapie in speziellen Morbus-Bechterew-Therapiegruppen unter Leitung qualifizierter Physiotherapeuten spielt eine wesentliche Rolle.

Konventionelle Therapiemaßnahmen sind u. a.

 

  • individuell angepasste krankengymnastische Bewegungsübungen,
  • regelmäßige Physiotherapie,
  • aufrichtende Sportarten wie Rückenschwimmen oder Nordic Walking,
  • physikalische Therapien: Wärme- und Kälteanwendung, Elektrotherapie, Massage, Ultraschall,
  • die Radon-Therapie: Behandlung mit dem radioaktiven Edelgas Radon, zum Teil in Kombination mit Überwärmung,
  • nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), die entzündungshemmend und schmerzlindernd wirken,
  • Stoßtherapie mit Glukocorticoiden, die stärker entzündungshemmend wirken als NSAR, und/oder
  • bei starken Entzündungen von Gelenken oder Sehnen außerhalb der Wirbelsäule eine Basistherapie z. B. mit Sulfasalazin oder Methotrexat.

 

Bei einem extrem aktiven Morbus Bechterew werden seit einigen Jahren sogenannte TNF-alpha-Blocker eingesetzt, die den entzündungsfördernden Botenstoff TNF alpha (Tumor-Nekrose-Faktor alpha) hemmen.

Operation

Operationen werden bei Morbus Bechterew eher selten vorgenommen. Die Implantation eines künstlichen Hüftgelenks (Endoprothese) kann aber sinnvoll sein. Nur in extrem schweren Fällen wird eine Aufrichtungsoperation (Aufrichtungsosteotomie) in Erwägung gezogen. Bei einer sogenannten Hyperkyphose, bei der die normale Krümmung der Wirbelsäule nach vorn extrem ausgeprägt ist, kann unter Umständen eine Aufrichtungsosteotomie indiziert sein. Hierbei wird beispielsweise dorsal (hinten) die Wirbelsäule aufgerichtet und mit einem Schrauben-Stab-System stabilisiert (Lordosierungsspondylodese).

 

Bei schweren Kyphosen kann die Osteotomie auch in 2 verschiedenen Segmenthöhen erfolgen.

 

Aufrichtungsosteotomien sind u. a. notwendig, wenn es zu

 

  • Einschränkungen des Sichtfeldes,
  • extremen Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule,
  • medikamentös nicht behandelbaren Schmerzen,
  • einer Beeinträchtigung der Nahrungsaufnahme und der Funktion innerer Organe und/oder
  • einer Schädigung der Hüft- und Kniegelenke aufgrund fehlerhafter Statik kommt.

Arten von Aufrichtungsosteotomien

Die polysegmentale lordosierende Osteotomie findet ggf. Anwendung, wenn die vorderen knöchernen Verbindungen im Regelfall aufgebrochen werden können.

 

Die monosegmentale lordosierende Pedikelsubtraktionsosteotomie (PSO) ist bei einer extrem ausgeprägten vorderen Verknöcherung indiziert.

 

Bei ausgeprägter Rundrückenbildung im Übergangsbereich zwischen Hals- und Brustwirbelsäule kommt die cervikale lordosierende Osteotomie (in Höhe von C7/Th1) zum Einsatz, entweder als einzelner Eingriff oder ergänzend zur polysegmentalen lordosierenden Osteotomie bzw. zur monosegmentalen lordosierenden Pedikelsubtraktionsosteotomie.

Risiken und Komplikationen

Bei chirurgischen Eingriffen an der Wirbelsäule können wie bei allen Operationen vielfältige Komplikationen auftreten.

 

  • Infektionen,
  • Thrombose,
  • Lungenembolie,
  • Gefäß- oder Nervenverletzungen,
  • Blutung, Nachblutung,
  • Folgeoperationen,
  • Bewegungseinschränkungen,
  • Verletzung des Rückenmarks,
  • Lähmungen,
  • Gefühlsstörungen und/oder
  • Narbenbildung mit Verwachsungen und Wucherungen (Spondylodese)

 

Eine mehrstündige Aufrichtungsoperation birgt zudem das spezielle Risiko der Läsion der Nervenwurzel C8, was zu Gefühlsstörungen an Klein- und Ringfinger und/oder zur Schwäche beim Spreizen der Finger führen kann.

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