Der Arzt hat grundsätzlich das Recht, die Therapie seines Patienten frei zu bestimmen. Stehen dem Arzt mehrere geeignete Behandlungsmethoden zur Verfügung, muss er auf der Grundlage des Verhältnisses zwischen Heilungschancen, Belastungen und Risiken der Behandlungen abwägen, welche Therapiemaßnahme er durchführt.
Uneingeschränkt freie Therapiewahl
Unter folgenden Konstellationen hat der Arzt bei mehreren zur Verfügung stehenden Behandlungsmethoden die uneingeschränkte freie Therapiewahl:
Erfolgsaussichten, Risiken und Belastungen der Therapiemaßnahmen gleichen sich.
Die Risiken und Belastungen der verschiedenen Behandlungsmethoden sind nicht vergleichbar, so dass keine der Behandlungsmethoden objektiv betrachtet riskanter ist als die andere.
Eine Methode birgt gegenüber der/den anderen Maßnahmen größere Risiken, bietet aber die wesentlich besseren Heilungsaussichten.
Achtung: Der Arzt ist jedoch immer verpflichtet, seinen Patienten über Erfolgsaussichten, Risiken und Belastungen der von ihm gewählten Behandlungsmethode aufzuklären. Insbesondere wenn die gewählte Behandlungsmethode größere Risiken birgt, als eine andere geeignete Methode, muss der Patient über alternative Behandlungsmethoden aufgeklärt werden.
Eingeschränkte Therapiefreiheit
In den folgenden Fällen ist die Therapiefreiheit des Arztes eingeschränkt:
Der Arzt ist verpflichtet, unter mehreren zur Verfügung stehenden Behandlungsmethoden diejenige zu wählen,
die bei gleichen Heilungschancen, die geringeren Risiken birgt, oder
die bei vergleichbaren Risiken, höhere Heilungschancen bietet.
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Voraussetzungen für einen Behandlungsfehler im Sinne des Therapieauswahlverschuldens
Ist die Durchführung einer Behandlung medizinisch unnötig oder von vornherein ungeeignet, kann ein Behandlungsfehler (Therapieauswahlverschulden) vorliegen.
Wählt der Arzt eine grundsätzlich geeignete Therapiemaßnahme, wenn eine andere Methode im konkreten Einzelfall aber dringend erforderlich ist, begeht er ebenfalls einen Behandlungsfehler im Sinne des Therapieauswahlverschuldens.
Abweichen vom Standard
Weicht der Arzt bei der Auswahl seiner Behandlungsmethode von den vorgenannten Voraussetzungen ab, muss er seine Wahl medizinisch-sachlich begründen. Es ist daher im Einzelfall durch ein medizinisches Sachverständigengutachten zu prüfen, ob der Arzt die richtige Behandlungsmethode ausgewählt hat.
Kein Haftungsausschluss bei Aufklärung der Nutzlosigkeit einer Behandlungsmethode
Der Arzt haftet auch dann im Sinne des Therapieauswahlverschuldens für eine unnötig vorgenommene oder falsch ausgewählte Behandlung, wenn er den Patienten über die Nutzlosigkeit der ausgewählten Therapie aufgeklärt hat und nur auf Wunsch des Patienten diese Maßnahme durchführt.
Einführung neuer Behandlungsmethoden
Weiterhin ist hinsichtlich des Therapieauswahlverschuldens Folgendes zu beachten: Der Arzt schuldet dem Patienten eine dem medizinischen Qualitätsstandard entsprechende Behandlung und nicht eine dem neuesten Stand der Wissenschaft entsprechende Therapiemaßnahme.
Die Anwendung einer alten Behandlungsmethode stellt gegenüber einer neuen Behandlungsmethode nur dann einen Behandlungsfehler dar, wenn 1. die neue Methode wissenschaftlich erprobt ist, sie 2. bei gleichen Risiken bessere Heilungschancen oder bei gleichen Heilungschancen geringere Risiken birgt und sie sich 3. in der Praxis nicht nur auf wenige Spezialkliniken beschränkt hat.
Ist die Durchführung einer Behandlung medizinisch unnötig oder von vornherein ungeeignet, kann ein Behandlungsfehler im Sinne des Therapieauswahlverschuldens vorliegen.