Nach Behandlungsfehler muss Augenarzt kein Blindengeld erstatten

Ein Augenarzt, der einem Patienten nach fehlerhafter Behandlung Schadensersatz schuldet, muss das vom Landschaftsverband als dem zuständigen Sozialhilfeträger an den Patienten gezahlte Blindengeld nicht erstatten.

 

Hamm. Das Oberlandesgericht hat mit seiner Entscheidung das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bochum aufgehoben und die Klage des Landschaftsverbandes abgewiesen (OLG Hamm, Urt. v. 9. September 2016 – 26 U 14/16).

 

Hintergrund der Schadensersatzklage

 

In den Jahren 2006 bis 2007 wurde der Patient, Herr D., wegen Augenschmerzen und Dunkelsehens mehrfach in der Praxis des beklagten Augenarztes vorstellig. Trotz auffälligen Befundes bereits im November 2006 unterließ es der Augenarzt, weitere notwendige differenzialdiagnostische Maßnahmen einzuleiten und verschrieb zur Behandlung der Symptome lediglich Augentropfen. Eine Behandlung des bei Herrn D. vorhandenen Glaubkoms (grüner Star) wurde dadurch erst verspätet durchgeführt, so dass dieser nunmehr auf beiden Augen so gut wie blind ist.

 

Herr D. erhielt ab Januar 2009 Blindengeld von dem Landschaftsverband, wandte sich aber gleichzeitig wegen Schadensersatzansprüchen aufgrund fehlerhafter Behandlung an den Haftpflichtversicherer des Augenarztes. Nach Feststellung des Behandlungsfehlers durch Einholung eines Sachverständigengutachtens regulierte die Haftpflichtversicherung des Arztes den Schaden. Sie zahlte Herrn D. eine Abfindung i. H. v. insgesamt 475.000,00 € mit dem Hinweis, dass dieser Betrag eine pauschale Entschädigung für vermehrte Bedürfnisse i. H. v. 50.000,00 € enthalte.

 

Landschaftsverband fordert Schadensersatz von Haftpflichtversicherung

 

Herr D. unterrichtete den Landschaftsverband sodann im September 2010 von der Abfindungszahlung und den darin enthaltenen Betrag für die durch Blindheit bedingten Mehraufwendungen. Da der Landschaftsverband Herrn D. seit 2009 als allgemeinen Ausgleich für die Nachteile seiner Behinderung Blindengeld gezahlt hatte, nahm er die Mitteilung des Herrn D. zum Anlass, gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Augenarztes Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Die Haftpflichtversicherung lehnte jedoch eine Bestätigung der Ansprüche bzw. eine Zahlung ab und der Landschaftsverband reichte daraufhin im August 2015 Klage ein. Das Landgericht Bochum ging davon aus, dass dem Verband gem. § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X i. V. m. §§ 280 Abs. 1, 611 BGB Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht zustünden und hat dem Klagebegehren vollumfänglich entsprochen.

 

Kein Erstattungsanspruch von Blindengeld

 

Die gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegte Berufung war erfolgreich. Das OLG führte in seiner Urteilsbegründung aus, dass ein Schadensersatzanspruch gem. § 116 SGB X nicht bestehen kann, weil es sich bei dem von dem Landschaftsverband gezahlten Blindengeld und dem von der Haftpflichtversicherung gezahlten Schadensersatzs wegen Mehraufwand um 2 verschiedene Sachleistungen handelt. Während sich die Zahlung des Haftpflichtversicherers eindeutig als Ausgleich für den durch Blindheit bedingten Mehraufwand definiert, ist das Blindengeld eine pauschale Leistung, „die für sich gar nicht in Anspruch nimmt, jeglichen Mehraufwand abzudecken“.