Einwilligung zu zahnärztlicher Behandlung unwirksam wegen Aufklärungsfehler

Weil er seinen Patienten nicht über die Möglichkeit einer anderen gleichwertigen Betäubungsmethode aufgeklärt hat, muss ein Zahnarzt 4.000,00 € Schmerzensgeld zahlen.

 

Hamm. Das Oberlandesgericht verurteilte einen Zahnarzt aufgrund einer mangels wirksamer Einwilligung fehlerhaft durchgeführten Behandlung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie aller weitere zukünftiger materieller und immaterieller Schäden (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 19. April 2016 – 26 U 199/15).

 

Taubheitsgefühl in der Zunge als Folge einer Leitungsanästhesie

 

Im Jahr 2013 führte der beklagte Zahnarzt bei dem klagenden Patienten eine Neuverplombung zweier Zähne im Unterkiefer durch. Weil der Kläger Angstpatient ist, hatte der Zahnarzt unter Setzung einer Leitungsanästhesie behandelt. Bei der Leitungsanästhesie besteht jedoch das Risiko einer Nervverletzung, über die der Patient aufzuklären ist. Dieses Risiko hat sich bei dem Kläger mit der Folge erheblicher Zungengefühlsstörungen verwirklicht.

 

Klage zunächst abgewiesen

 

Im anschließenden Prozess hat der Kläger die mangelnde Aufklärung durch den Zahnarzt gerügt, insbesondere das Unterlassen einer ordnungsgemäßen Aufklärung hinsichtlich tatsächlich bestehender alternativer Betäubungsmethoden. Das Landgericht Bielefeld wies die Klage zunächst ab, weil die Nervverletzung nicht als Folge eines Behandlungsfehlers, sondern schicksalhaft als verwirklichtes Risiko der Behandlung aufgetreten ist und weil es sich nicht vorstellen konnte, dass ein Angstpatient eine alternative Behandlungsmethode, bei der mehr als eine Spritze gesetzt werden müssten (intraligamentäre Anästhesie), der Leitungsanästhesie – bei der nur ein Einstich notwendig ist – vorziehen würde.

 

Auch Angstpatienten haben ein Recht auf ordnungsgemäße Aufklärung

 

Gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld legte der Kläger mit Erfolg Berufung ein. Das OLG verurteilte den Zahnarzt, „weil die Behandlung mangels wirksamer Einwilligung des Klägers insgesamt rechtswidrig“ war. Dazu führte es weiter aus, dass die unwirksame Einwilligung schon allein dadurch zustande kam, weil der Kläger nicht über die tatsächlich bestehende Alternative einer intraligamentären Anästhesie aufgeklärt worden ist. Obwohl bei Angstpatienten in den meisten Fällen die Betäubung mithilfe einer Leitungsanästhesie durchgeführt wird, hätte der Beklagte nicht davon ausgehen dürfen, dass für den Kläger die intraligamentäre Anästhesie keine echte Alternative gewesen wäre. Denn gibt es „mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden, die wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen“, muss der Patient über all jene Methoden aufgeklärt werden und es ihm überlassen bleiben, auf welche Risiken er sich einlassen will (vgl. z. B. „Patientenrechtegesetz“ – § 630e Abs. 1 S.3 BGB).