Kein Schmerzensgeld wegen künstlicher Ernährung

Das Landgericht München entschied am 18.01.2017 (Az. 9 O 5246/14) über einen Fall, bei dem ein Hausarzt verklagt wurde, weil er einen Patienten vermeintlich ohne Indikation mittels künstlicher Ernährung zu lange am Leben erhalten habe. Das Gericht attestierte zwar einen Behandlungsfehler, weil der Patientenwille nicht ermittelt worden war. Da aber ein kausaler Schaden nicht ausreichend begründet wurde, wies es die Klage ab.

 

München. Normalerweise werden Ärzte im Zusammenhang mit der Behandlung von Sterbenskranken wegen unterlassener Hilfeleistungen verklagt. In dem am Mittwoch verhandelten Fall ging es jedoch darum, dass der demente und sterbenskranke Vater des Klägers aus dessen Sicht zu lange am Leben erhalten und seine Leiden damit in die Länge gezogen wurden. Er forderte posthum für seinen Vater ein Schmerzensgeld i. H. v. 150.000,00 €.

 

Pflichtverletzung des Allgemeinmediziners bestätigt

 

Vor allem die künstliche Ernährung mithilfe einer PEG-Sonde stand im Vordergrund des Verfahrens, die seit 2006 bis zu dem Tod seines Vaters im Jahr 2011 erfolgte. Der Kläger begründete seine Schmerzensgeldforderung damit, dass die künstliche Ernährung bereits ein Jahr vor dem Tod seines Vaters medizinisch nicht mehr indiziert gewesen sei. Sie habe nur den unvermeidbaren Tod des Vaters unnötig hinausgezögert.

 

Das Gericht bestätigte, dass die von dem Hausarzt zu dem in Rede stehenden Zeitpunkt durchgeführte Lebenserhaltungsmaßnahme nicht mehr dem medizinischen Standard entsprach. Denn in diesem Fall hätte gemäß § 1901 b Abs. 1 BGB der Patientenwille ermittelt werden müssen. Da der Patient zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr in der Lage war, seinen Willen zu äußern, und eine Patientenverfügung nicht vorlag, hätte der Beklagte die Vertretungsberechtigten seines Patienten in die Entscheidungsfindung, ob die Weiterbehandlung mittels Magensonde noch im Interesse seines Patienten lag, mit einbeziehen müssen. Dieser Verpflichtung ist der Beklagte nicht nachgekommen.

 

Kausalzusammenhang nicht nachgewiesen

 

Trotz alledem fehlte es dem LG München an dem zu erbringenden Nachweis des kausalen Zusammenhangs zwischen Behandlungsfehler (= der von dem Beklagten begangenen Pflichtverletzung) und entstandenem Schaden (= den Leiden des Patienten). Es zweifelte vor allem daran, dass ein aufklärendes Gespräch zwischen dem Beklagten und den entscheidungsbefugten Vertretern des Patienten zu einem Behandlungsabbruch geführt hätten. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld sei demnach nicht gegeben.

 

Revision angekündigt

 

Der Prozessvertreter des Klägers kündigte bereits jetzt an, gegen die Entscheidung des Landgerichts in Revision gehen zu wollen. Denn das Landgericht habe seinen Mandanten weder angehört noch ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger noch zu Lebzeiten seines Vaters eine Bestätigung erlangen wollte, dass die lebenserhaltenden Maßnahmen nur unnötig die Leiden seines Vaters verlängern würden. Vor diesem Hintergrund sei die Entscheidung gegen einen Behandlungsabbruch denkbar unwahrscheinlich gewesen.

 

Der Medizinrechtler betonte aber, dass der Fall dennoch von Bedeutung wäre: Denn das Gericht habe grundsätzlich anerkannt, dass auch lebenserhaltende Maßnahmen behandlungsfehlerhaft sein können. Zudem hoffe er, dass die nächsten Instanzen die Frage, ob überhaupt ein Anspruch auf Schmerzensgeld bei „erlittenem Leben“ bestehe, näher thematisieren werden. (lto)