Melanomverdacht muss durch Differentialdiagnostik abgeklärt werden

Bei auffälligen Hautveränderungen (hier: Melanomverdacht) ist der Arzt verpflichtet, einen bösartigen Befund eindeutig auszuschließen, indem er weiterführende Befunde erhebt. Die dafür ggf. erforderliche Entnahme einer Hautprobe darf nicht dem Patienten selbst überlassen werden. Insbesondere ist der Arzt in diesem Fall dazu verpflichtet, dem Patienten die Notwendigkeit der Wiedervorstellung zur weiteren Abklärung zu verdeutlichen.

 

Hamm. Das Oberlandesgericht Hamm hat am 27. Oktober 2015 das Verhalten der Ärzte einer hautärztlichen Gemeinschaftspraxis als grob behandlungsfehlerhaft eingestuft und dem Erben der zwischenzeitlich verstorbenen Klägerin ein Schmerzensgeld i. H. v. 100.000,00 € zugesprochen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 27. Oktober 2015 – 26 U 63/15).

 

Klage mangels Beweisangebotes zunächst abgewiesen.

 

Die damals 55-jährige Klägerin war im Jahre 2009 wegen eines dunkel verfärbten Nagels in die Gemeinschaftspraxis der Beklagten verwiesen worden. Weil eine mangelhaft entnommene Gewebeprobe keinen auffälligen Befund lieferte, sie auf die Notwendigkeit weitere Befunderhebungen nicht eindeutig hingewiesen wurde und daher der Praxis zunächst fern blieb, wurde das Vorhandensein eines Melanoms verspätet festgestellt. Sie klagte wegen ärztlicher Behandlungsfehler vor dem Landgericht Paderborn, dass die Klage mangels Beweisangebotes zunächst abwies.

 

Berufung erfolgreich – Schmerzensgeld wegen groben Behandlungsfehlers

 

Da die Klägerin zwischenzeitlich ihrer Erkrankung erlegen war, legte ihr Eheman Berufung ein – mit Erfolg. Das OLG stützte seine Entscheidung vor allem auf die Ausführungen des beauftragten Sachverständigen. Dieser erklärte, dass – auch bei Verwendung einer Speziallupe – ein Melanom am Nagel mit bloßem Auge nicht erkennbar sei, wodurch eine diagnostische Befunderhebung zur Abklärung der Erkrankung dringend erforderlich gewesen sei (mögliche Erkrankungen bei verfärbten Nagel sind z. B. Nagelhämatom, Melanom oder Pilzinfektion).

 

Unsachgemäße Befundung und unterlassene Aufklärung begründen groben Behandlungsfehler

 

Vor dem Hintergrund, „dass ein unbehandeltes Melanom zum Tode führt, dass die Überlassung der Durchführung der Nagelprobe an die Patientin zur Verifizierung eines Melanoms völlig unzuverlässig und ungeeignet gewesen ist“ und dass der Patientin die Notwendigkeit einer nochmaligen histologischen und sonstigen Befundung nicht eindeutig vermittelt wurde, ist hier von einem grob fehlerhaften Verhalten auszugehen – also einem Verstoß gegen die ärztlichen Behandlungsregeln, welcher aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt einfach nicht passieren darf.