Patient muss kein medizinisches Fachwissen haben

Im Arzthaftungsprozess sind weder der Patient noch sein Prozessbevollmächtigter verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen.

 

Karlsruhe. Der Bundesgerichtshof hat am 1. März 2016 ein zweitinstanzliches Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichtes aufgehoben und die Angelegenheit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückgewiesen, weil das OLG die Anforderungen an die Informations- und Substantiierungspflichten des Patienten überspannt hatte (vgl. BGH, Urt. v. 1. März 2016 – VI ZR 49/15).

 

Im Jahre 2012 hatte eine Patienten zwei Kliniken wegen Behandlungsfehlern aufgrund hygienischer Mängel verklagt. Die Frau war in den Jahren 2009 und 2010 mehrfach gestürzt und wurde in den beiden Kliniken wegen mehreren aufeinander folgenden Oberschenkelfrakturen behandelt hatten. Unter anderem wurde ihr ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt. Bei der Behandlung kam es dann zu einer tiefsitzenden Wundinfektion. Diese führte die Patientin in der 1. Instanz – zunächst nur allgemein formuliert – auf eine Verletzung des einzuhaltenden Hygienestandards zurück.

 

Die Klage wurde abgewiesen.

 

Als die Frau in der Berufungsinstanz vor dem OLG Saarbrücken durch einen neuen Prozessbevollmächtigten näher ausführen ließ, dass Ursache der tiefsitzenden Infektion ein nicht ordnungsgemäß angelegtes Wunddebridgement gewesen sei, wies das OLG die Berufung mit der Begründung zurück, die klagende Partei habe diesen Einwand verspätet vorgebracht.

 

Die Revision wurde vom Berufungsgericht nicht zugelassen.

 

Die gegen das Urteil der Nichtzulassen der Revision gerichtete Beschwerde der Patientin fand dann aber doch noch Gehör. Der BGH hat das zweitinstanzliche Urteil aufgehoben und den Fall zur Neuverhandlung an das OLG Saarbrücken zurückverwiesen.

 

Der BGH entscheidet: Urteilsaufhebung und Neuverhandlung durch OLG

 

In seiner Begründung wies der BGH darauf hin, dass das OLG den Anspruch der Patientin „auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt“ und ihr „rechtsfehlerhaft Nachlässigkeit im Sinne des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO vorgeworfen“ habe. Insbesondere aber habe das Berufungsgericht entscheidungserhebliche medizinische Fragen „verfahrensfehlerhaft ohne die erforderliche Hinzuziehung eines Sachverständigen aus eigener, nicht ausgewiesener Sachkunde beantwortet“.