Patientin erhält 80.000 € Schmerzensgeld, weil Augenärztin Befunderhebung grob fehlerhaft unterließ
Weil ihre Augenärztin es während des gesamten Behandlungszeitraums in den Jahren 2007 bis 2009 unterlassen hatte, eine Augeninnendruckmessung vorzunehmen und sich daraufhin ihre Sehfähigkeit von ca. 60% auf weniger als 30% reduzierte, wurde einer Patientin ein Schmerzensgeld i. H. v. 80.000,00 € zugesprochen.
Hamm. Das Oberlandesgericht verurteilte am 10. Mai 2016 eine Augenärztin aufgrund eines groben Behandlungsfehlers, der ihr bei der Behandlung der damals 10-jährigen Klägerin unterlaufen ist (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 10. Mai 2016 – 26 U 107/15). Die Klägerin stellte sich das erste Mal im Zuge der bei ihr im Jahr 2007 diagnostizierten Diabeteserkrankung bei der Beklagten vor. Obwohl die Sehleistung der Klägerin im Laufe der Behandlung bei der Beklagten zunehmend abnahm, unterließ diese eine – nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen – zwingend erforderliche Augeninnendruckmessung. Das Unterlassen der Augeninnendruckmessung stellt einen Behandlungsfehler in Form eines Befunderhebungsmangels dar.
Verspätete Behandlung aufgrund des Befunderhebungsmangels
Die notwendige Augeninnendruckmessung wurde erst 1,5 Jahre nach der Erstvorstellung bei der Beklagten durch eine andere Augenärztin durchgeführt. Diese reagierte sofort auf den bei der Klägerin erhöhten Augeninnendruck, der sich im höchsten Maße schädigend auf den Sehnerv auswirkte, mit einer medikamentösen Behandlung und verwies die Klägerin notfallmäßig in die städtische Augenklinik. Dort wurde ein fortgeschrittener Grüner Star (demkompensiertes juveniles Glaukom mit Kammerwinkeldysgenesie) diagnostiziert. Die daraufhin erfolgten Operationen an beiden Augen konnten die Verschlechterung der Sehfähigkeit auf weniger als 30% nicht mehr verhindern. Die daraufhin beim Landgericht Bielefeld eingereichte Klage hatte Erfolg und der Klägerin wurde in 1. Instanz ein Teilschmerzensgeld i. H. v. 25.000,00 € zugesprochen.
Wegen Möglichkeit der Erblindung höheres Schmerzensgeld gefordert
Erst aufgrund der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen hat die Klägerin von der Möglichkeit der vollständigen Erblindung erfahren, was sie dazu veranlasste, in Berufung zu gehen und ein höheres Schmerzensgeld (80.000,00 €) zu verlangen. Das OLG gab der Berufung statt und begründete seine Entscheidung damit, dass aufgrund des groben Behandlungsfehlers der Beklagten, der jugendlichen Klägerin „die Möglichkeit genommen wurde, ein adäquates Leben zu führen“. So sei sie u. a. an der Ausübung sportlicher Aktivitäten gehindert worden oder könne letztendlich nur denjenigen Beruf ausüben, der ihren jetzigen Möglichkeiten entspräche. Dementsprechend sei die Erhöhung des Schmerzensgeldes angemessen.