Arzt muss beweisen, dass Schäden aus Behandlungsfehler ohnehin wegen Grunderkrankung aufgetreten wären

Kommt es während einer – mangels wirksamer Einwilligung – rechtswidrig durchgeführten Operation zu Gesundheitsschädigungen bei einem Patienten, muss der Arzt – um „schmerzensgeldmindernde Umstände“ geltend machen zu können – beweisen, dass auch die Grunderkrankung des Patienten zu solchen oder ähnlichen Schäden hätte führen können.

 

Karlsruhe. Der BGH hat ein Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz aufgehoben, weil es zwar das Vorhandensein eines Behandlungsfehlers richtig, aber die Umstände zur Bemessung der Schmerzensgeldhöhe rechtsfehlerhaft beurteilt hat.

 

Der Mainzer Arzt einer im Jahr 2002 1 ½-jährigen Patientin setzte sich – entgegen der Empfehlung zweier Kollegen aus Würzburg und Heidelberg – über die von den Eltern erklärte Einwilligung, ausschließlich eine Fensterung (Ablassen der Flüssigkeitsansammlung) der bei ihrer Tochter entdeckten Tumorzyste vorzunehmen, hinweg und entfernte das gesamte Tumorgewebe. Durch die rechtswidrig erfolgte Operation erlitt das Mädchen schwere Nerven- und Gefäßverletzungen, die zu einer fast vollständigen Lähmung aller Gliedmaßen, Blindheit, einer Schluckstörung und dem Ausbleiben der Sprachfähigkeit führten.

 

Die Eltern verklagten im Jahr 2011 das Mainzer Klinikum und machten für ihre Tochter, welche im Laufe des Rechtsstreites im Alter von 12 Jahren gestorben war, Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche i. H. v. 200.000,00 € geltend. Die zunächst vom Landgericht Mainz stattgegebene Klage wurde vom Oberlandesgericht Koblenz auf die Berufung der Beklagten dahingehend abgeändert, dass nur eine Schmerzensgeldanspruch i. H. v. 50.000,00 € bestehe, weil aufgrund der Unsicherheiten, die hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Ursache und Schaden existierten, nicht von einem groben Behandlungsfehler ausgegangen werden könne. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichtes hätten die Kläger zusätzlich beweisen müssen, dass die Schäden – wie z. B. die Erblindung – bei ihrer Tochter so oder so ähnlich nicht aufgetreten wären, wenn statt der rechtswidrig durchgeführten Operation nur eine Fensterung der Zyste erfolgt wäre.

 

Dem widersprach nun der BGH mit seinem Urteil vom 22. März 2016: Nach allgemeinem Grundsatz habe die Beklagtenseite zu beweisen, dass die bei einem Patienten infolge einer rechtwidrigen Behandlung aufgetretenen Schäden ohnehin auch infolge der Grunderkrankung irgendwann aufgetreten wären. Der Schädiger müsse also beweisen, „dass sich ein hypothetischer Kausalverlauf bzw. eine Reserveursache ebenso ausgewirkt haben würde, wie der tatsächliche Geschehensablauf“ (vgl. BGH, Urt. v. 22. März 2016 – VI ZR 467/14).