Keine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs: Erste Klinik muss auch Schmerzensgeld wegen Behandlungsfehler der weiteren Klinik zahlen

Wird auf Grund eines ärztlichen Behandlungsfehlers ein weiterer Eingriff erforderlich und fehlerhaft durchgeführt, hat der erstbehandelnde Arzt auch für diesen Behandlungsfehler grundsätzlich zu haften. Der Zurechnungszusammenhang kann dann unterbrochen sein, wenn der zweitbehandelnde Arzt die ärztliche Sorgfaltspflicht in außergewöhnlich hohem Maße verletzt (besonders grober Behandlungsfehler). Die Annahme allein eines groben Behandlungsfehlers unterbricht den Zusammenhang dagegen nicht. (Leitsatz)

 

Hamm. Das Oberlandesgericht sprach kürzlich einer 54-jährigen ein Schmerzensgeld i. H. v. 70.000,00 € nebst Ersatz für einen Haushaltsführungsschaden (bis Ende 2013) i. H. v. 30.160,00 € sowie monatliche Haushaltsführungskosten i. H. v. 156,00 € zu, weil die bei ihr bestehende Magenanomalie (sog. Upside-Down-Magen) mehrfach fehlerhaft operiert wurde (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 15. November 2016 – 26 U 37/14).

 

Die 1962 geborene Klägerin unterzog sich im April 2009 in dem beklagten Krankenhaus in Recklinghausen eine Operation, die ihre Magenanomalie korrigieren sollte. Bei der Operation wurden jedoch die Nähte fehlerhaft gesetzt, so dass es erneut zu einer Verdrehung des Magens kam. Bei der im Juni 2009 in einer Klinik in Herne durchgeführten Operation zur Korrektur der fehlerhaft durchgeführten Erst-OP wurden zwar die falsch angebrachten Nähte wieder geöffnet, aber der Operateur der Zweit-OP versäumte es, den Magen der Klägerin jetzt endlich richtig zu fixieren. Das weiterhin bestehende Abkippen des Magens blieb in der Folgezeit unbemerkt und unbehandelt und führte letztendlich zu einer Magenblähung. In Folge der Behandlungsfehler kam es u. a. zu einer Magenteilresektion, Magentransportschädigung und zu Wundheilungsstörungen, so dass weitere Operationen und stationäre Aufenthalte bis Ende 2013 notwendig waren.

 

Die Klägerin machte im Klagewege gegenüber der erstbehandelnden Klinik sodann Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüche im Hinblick auf die fehlerhaften Behandlungen sowohl im ersten als auch im zweiten Krankenhaus geltend. Das Landgericht Bochum sprach der Klägerin zunächst nur ein Schmerzensgeld i. H. v. 8.000,00 € und einen Haushaltsführungsschaden i. H. v. 4.680,00 € (für 3 Monate) zu, weil nach seiner Auffassung ein Kausalzusammenhang zwischen den Behandlungsfehlern nicht bestand. Dementgegen stellte das Oberlandesgericht aber fest, dass allein die Annahme eines groben Behandlungsfehlers durch den zweitbehandelnden Arzt noch nicht den Kausalitätszusammenhang unterbreche. „Der Zurechnungszusammenhang kann dann unterbrochen sein, wenn der zweitbehandelnde Arzt die ärztliche Sorgfaltspflicht in außergewöhnlich hohem Maße verletzt.“ Demnach hätte der zweite Operateur eines besonders groben Behandlungsfehler begehen müssen, um den Zurechnungszusammenhang und somit die Haftung des erstbehandelnden Arztes auszuschließen.

 

Bei der Bewertung des zweiten Behandlungsfehlers folgte das OLG der Einschätzung des Sachverständigen, der den Behandlungsfehler der Revisionsoperation zwar als gravierend, jedoch noch nicht als außergewöhnlich und unsachgemäß einstufte. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes spielten vor allem der langwierige und komplizierte Krankheitsverlauf sowie die auch zukünftig bestehenden Beeinträchtigungen der Klägerin in der Haushaltsführung eine Rolle.